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Ausführung zusätzlicher Leistungen – Mehrkostenanmeldung jetzt doch entbehrlich?

Es ist nahezu alltäglich geworden, dass die Ausführung zusätzlicher - im ursprünglichen Leistungsumfang nicht beauftragter - Leistungen erforderlich wird. Diese zusätzlich erforderlichen Leistungen hat der Auftragnehmer grundsätzlich auf Verlangen des Auftraggebers auszuführen, es sei denn, sein Betrieb ist auf derartige Leistungen nicht eingerichtet. In VOB/B - Verträgen ergibt sich diese Verpflichtung aus § 1 Abs. 4 VOB/B.


Der Auftragnehmer bekommt für diese zusätzlichen Leistungen eine gesonderte Vergütung gemäß § 2 Abs. 6 VOB/B. Nach der Vorschrift des § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 VOB/B muss der Auftraggeber den Anspruch auf zusätzliche Vergütung allerdings ankündigen bevor er mit der Leistungsausführung beginnt.


In der Praxis kommt es wegen dieser Voraussetzung der vorherigen Ankündigung viel zu oft vor, dass der Auftraggeber den Einwand der nicht erfolgten Ankündigung erhebt und die zusätzliche Vergütung nicht zahlt.


Dem hat nunmehr das OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 27.03.2019 – 12 U 66/17 (rechtskräftig durch Beschluss des BGH vom 08.04.2021 - VII ZR 78/19) Einhalt geboten und die Rechte des Auftragnehmers in diesen Fällen gestärkt.


Nach der Entscheidung des OLG muss ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung nach § 2 Abs. 6 VOB/B ausnahmsweise dann nicht angekündigt werden, wenn die Ankündigung für den Schutz des Auftraggebers entbehrlich ist.


Diese Begründung der Entscheidung ist nachvollziehbar und konsequent an dem Schutzzweck der Regelung des § 2 Abs. 6 VOB/B orientiert.


Die Verpflichtung zur vorherigen Ankündigung der Mehrvergütung durch den Auftragnehmer ist zwar eine Tatbestandsvoraussetzung, allerdings dient diese allein dem Vertrauensschutz des Auftraggebers. Der Auftraggeber soll davor geschützt werden, von Kostenerhöhungen überrumpelt zu werden und gleichzeitig in die Lage versetzt werden, rechtzeitig über die Kostensteigerung zu disponieren und sich darauf einzustellen.


Damit wird, nach der Entscheidung des OLG Hamm, die vorherige Ankündigung dann entbehrlich, wenn ein schützenswertes Vertrauen auf eine unentgeltliche Ausführung nicht gegeben ist. Denn auch das Interesse des Auftragnehmers soll geschützt werden, dessen Bauleistungen regelmäßig nicht ohne Vergütung zu erwarten sind.


Der Verlust der zusätzlichen Vergütung des Auftragnehmers wegen der unterlassenen Mehrkostenanmeldung ist dann nicht angezeigt, wenn der Auftraggeber bei der Forderung der zusätzlichen Leistung davon ausging oder davon ausgehen musste, dass diese nur mit zusätzlicher Vergütung ausgeführt wird oder wenn ihm nach der Lage der Dinge keine Alternative als die sofortige Ausführung der Leistung durch den Auftraggeber blieb.


Somit ist ein Verlust des Vergütungsanspruches dann nicht angezeigt, wenn die Ankündigung zum Schutz des Auftraggebers entbehrlich ist.


Die Darlegung- und Beweislast hierfür trägt der Auftragnehmer. Der Auftraggeber muss nachweisen, dass ihm kostengünstigere Ausführungsalternativen vorlagen, die er im konkreten Fall hätte heranziehen können. Abstrakt denkbare Möglichkeiten zählen hierzu nicht.


Fazit:


Eine vorherige Ankündigung der Mehrkosten für zusätzliche Leistungen ist immer dann entbehrlich, wenn der Auftraggeber mit Mehrkosten rechnet oder rechnen muss oder ihm keine andere Alternative als die Ausführung durch den Auftragnehmer bleibt. Der Auftragnehmer hat in diesen Fällen trotz fehlender Ankündigung einen Anspruch auf Mehrvergütung für die erforderliche zusätzliche Leistung.


In der Praxis sollte der Auftraggeber allerdings immer auf „Nummer sicher gehen“ und sein Mehrkostenverlangen bei zusätzlichen Leistungen vor Ausführung an den Auftraggeber herantragen.


Zur Autorin:

Rechtsanwältin Nicole Gräwer ist Partnerin und Gesellschafterin der Kanzlei EISENBEIS PARTNER. Als Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht vertritt sie deutschlandweit führende Bauunternehmen und Architekturbüros. Dazu berät sie öffentliche Auftraggeber und Bieter in allen Belangen des Vergaberechts.



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