Im Bauvertragsrecht gilt der Grundsatz, dass das, was beschrieben ist, kein Nachtrag sein kann. Eine Mehrvergütung kann der Auftragnehmer im Rahmen eines Nachtrages nur verlangen, wenn er eine Leistung erbringt, deren Ausführung er nicht auf der Grundlage der Vertragsunterlagen (Angebot, Auftragsbestätigung, Bauvertrag, Leistungsverzeichnis, Verhandlungsprotokoll, etc.) schuldet.
Gerade deshalb ist es wichtig, dass der Auftragnehmer die Vertragsdokumente vor Vertragsschluss intensiv studiert, um seine Vergütung auskömmlich kalkulieren zu können. Wie wichtig dies ist, zeigt ein aktueller Fall, den das OLG Stuttgart mit Urteil vom 02.03.2021 (10 U 57/14) entschieden hat. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde durch den BGH mit Beschluss vom 04.05.2022 (VII ZR 259/21) zurückgewiesen.
In dem vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall wurde der Auftragnehmer als Generalunternehmer vom Auftraggeber mit der Erstellung eines Bürogebäudes zum Pauschalpreis von 15 Millionen € beauftragt. Nach dem GU-Vertrag ist unter anderem der zwischen dem Auftraggeber und dem Endnutzer geschlossene Mietvertrag Vertragsbestandteil. Dem Mietvertrag beigefügt ist als Anlage wiederum eine Baubeschreibung, die Geothermiearbeiten umfasst. Auf diese Anlage zum Mietvertrag wird im GU-Vertrag nicht ausdrücklich Bezug genommen. Die Parteien streiten, ob die vom AN auszuführenden Geothermiearbeiten, deren Ausführung der AG angeordnet hat, zum Bausoll gehören oder nicht. Der AN macht nach Ausführung eine Nachtragsforderung in Höhe von über 1 Million € geltend.
Nach Auffassung des OLG Stuttgart steht dem AN die geltend gemachte Nachtragsforderung nicht zu. Zwar nehme der GU-Vertrag nur auf den Mietvertrag Bezug und nicht auf die dem Mietvertrag beigefügte Anlage, also im Prinzip auf die Anlage zur Anlage. Nach einer Regelung im Mietvertrag sei die dem Mietvertrag als Anlage beigefügte Baubeschreibung jedoch integraler Bestandteil des Mietvertrages selbst. Wenn der GU-Vertrag nun ausdrücklich den Mietvertrag zum Vertragsbestandteil erkläre, so müsse zwangsläufig auch die dem Mietvertrag beigefügte Anlage Vertragsbestandteil sein. Der Auftragnehmer sei daher verpflichtet gewesen, die sich aus der Anlage zum Mietvertrag ergebenden Leistungen im Rahmen des Hauptvertrages zu erbringen. Hierfür habe man eine Pauschalvergütung vereinbart. Dem Auftragnehmer stehe daher keine Nachtragsvergütung zu.
Fazit:
Im Rahmen eines Bauvertrages ergibt sich das vom Auftragnehmer zu erbringende Bausoll aus der Leistungsbeschreibung im weiteren Sinne. Hierunter versteht man das gesamte Vertragswerk, wobei auch noch nicht vorliegende, sondern erst noch zu erstellende Pläne und Unterlagen gehören können. Auch dem Vertrag nicht beigefügte, sondern lediglich einsehbare Unterlagen können Vertragsbestandteil sein. Das vom Auftragnehmer zu erbringende Bausoll kann also sehr weit gefasst sein. Im Prinzip muss der Auftragnehmer alles miteinkalkulieren, was er anhand von Unterlagen erkennen kann. Umso wichtiger ist es, sämtliche Unterlagen, die Vorgaben zur Bauleistung enthalten, sorgfältig zu lesen und zu berücksichtigen.
Zum Autor:
Rechtsanwalt Jörg Bach ist Gesellschafter und Partner der Kanzlei EISENBEIS PARTNER.
Er ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie für Miet- und Wohnungseigentums-recht und vertritt deutschlandweit namhafte Bauunternehmen bei der Durchsetzung ihrer Rechte.
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