Bei nahezu jedem Bauvorhaben kommt es zu sog. Nachträgen – also zusätzlichen und / oder geänderten Leistungen, die in der Regel auch immer zu einer Verlängerung der Bauzeit führen.
Kommt es zu einer Behinderung des Bauablaufes, die der Auftraggeber zu vertreten hat, verlängert sich korrespondierend zum Zeitraum der Behinderung auch die Bauzeit entsprechend.
Was aber gilt für eine Verlängerung der Bauzeit infolge von vom Auftraggeber beauftragten zusätzlichen Leistungen? Stellt dies eine Behinderung dar, die der Auftraggeber zu vertreten hat? Was heißt das für eine an die Fertigstellungsfrist gekoppelte Vertragsstrafe?
Unter anderem diese Fragen hatte das OLG Bremen (Urteil vom 20.12.2019 – 2 U 50/18 – rechtkräftig durch Beschluss des BGH vom 24.02.2021) zu beantworten in einem Streitfall, in dem der Auftraggeber den Auftragnehmer mit der Errichtung eines Wasserkraftwerkes beauftragte. Die Parteien vereinbarten die Anwendung der Regelungen der VOB/B auf ihr Vertragsverhältnis, verschiedene Zwischenfristen sowie einen Fertigstellungstermin. Zwischen- und Fertigstellungsfrist waren jeweils mit einer Vertragsstrafe für den Fall der Nichteinhaltung belegt.
Während der Bauausführung beauftragte der AG mehrere umfangreiche und zusätzliche Leistungen in mehreren Nachtragsaufträgen, was dazu führte, dass der AN die vereinbarten Zwischentermine nicht einhalten konnte. Der AG kündigte daraufhin den Vertrag und verlangte vom AN Schadenersatz in Höhe der Mehrfertigstellungskosten durch einen Drittunternehmer – allerdings ohne Erfolg!
Das OLG Bremen erteilte ihm eine Abfuhr und wies die Klage zurück, mit einer Begründung gleichlautend der Entscheidungen der Oberlandesgerichte Koblenz und Düsseldorf.
Die Oberlandesgerichte sind der (zutreffenden) Ansicht, die Beauftragung von zusätzlichen Leistungen gehöre zum Risikobereich des Auftraggebers. Die daraus resultierende und benötigte zusätzliche Zeit der Ausführung stelle eine Behinderung des Auftragnehmers dar, die damit der Auftraggeber zu vertrete habe. Damit hat der AG auch die Bauzeitverlängerung zu vertreten, was zu einer Anpassung und damit Verlängerung der Ausführungsfrist führt.
Das OLG Düsseldorf stärkte den AN mit seiner Entscheidung vom 20.07.2011 bereits in der es festhielt, dass der AN seine ggf. im eigenen Bauzeitenplan der ursprünglich vereinbarten Bauzeit eingeplanten versteckten oder offenen Zeitpuffer nicht einsetzen müsse. Der AN ist nicht verpflichtet seine Reserven einzusetzen, um vom AG zu vertretende Behinderungen zu kompensieren.
Die Berechnung der Verlängerung der Bauzeit erfolgt gem. § 6 Abs. 4 VOB/B nach der Dauer der Behinderung. Die übliche für die Ausführung der beauftragten zusätzlichen Leistungen benötigte Zeit, wird an den ursprünglich vereinbarten Ausführungszeitraum einfach „drangehängt“. Auch die oft zeitraubende Gegenüberstellung von Ist- und Sollbauablauf ist damit entbehrlich.
Außerdem führt diese Verlängerung der Bauzeit gemäß § 6 Abs. 2 VOB/B dazu, dass die ursprüngliche nach dem Kalender bestimmte und vereinbarte Vertragsfrist entfällt, so dass für die Herbeiführung eines Verzuges zunächst eine Mahnung und in Verzug Setzung gemäß § 286 Abs. 1 BGB erforderlich wird.
Mit dem Wegfall der Vertragsfrist entfällt dann auch die vereinbarte Vertragsstrafe komplett in den Fällen in denen die Behinderungen den Bauablaufplan komplett durcheinander bringt und eine durchgreifende Neuorganisation des Bauablaufes erforderlich macht, so das OLG München in seiner Entscheidung 29.02.2016 - 28 U 3609/15 - rechtskräftig durch Beschluss des BGH vom 25.04.2018). In allen anderen Fällen wird die Fälligkeit entsprechend hinausgeschoben auf das angepasste Ende der Bauzeit und macht eine vorherige Mahnung erforderlich.
Fazit:
- Änderungen und zusätzliche Leistungen beauftragt durch den Bauherrn fallen in den Risikobereich des Auftraggebers und stellen eine durch ihn verursachte Bauablaufstörung – Behinderung des Auftragnehmers dar.
- Der Auftraggeber muss eigene von ihm geplante (verdeckte oder offene) eigene Zeitreserven im Bauzeitenplan nicht zur Kompensation opfern.
- Die Verlängerung der Bauzeit durch zusätzliche oder geänderte Leistungen führt zum Wegfall der Vertragsfrist, wenn eine umfangreiche Neuorganisation des Bauablaufes notwendig ist. In jedem Fall ist eine Mahnung des Auftraggebers zur in Verzugsetzung erforderlich.
Zur Autorin:
Rechtsanwältin Nicole Gräwer ist Partnerin und Gesellschafterin der Kanzlei EISENBEIS PARTNER. Als Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht vertritt sie deutschlandweit namhafte Bauunternehmen und Architekturbüros bei der Durchsetzung ihrer Rechte.
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