Gemäß § 648 BGB kann der Besteller bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. In diesem Fall spricht man von einer sogenannten freien Kündigung, da kein Kündigungsgrund vorliegt. Rechtsfolge daraus, dass sich der Besteller jederzeit von einem Vertrag lösen kann ist, dass der Unternehmer berechtigt ist, die vereinbarte Vergütung zu verlangen. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt (§ 648 S. 2 BGB).
In einer solchen Konstellation wird im Streitfall um die Vergütung des Unternehmers von Seiten des Besteller regelmäßig eingewandt, dass der Unternehmer wegen der erfolgten Kündigung andere Aufträge mit dem freigewordenen Personal und den freigewordenen Gerätschaften habe abarbeiten können. Man spricht dabei von einem sogenannten Füllauftrag, den der Unternehmer bei Berechnung der Vergütung des gekündigten Vertrages grundsätzlich anrechnen muss.
Der Einwand des Füllauftrages ist auf Bestellerseite sehr beliebt und auch naheliegend, da in der handwerklichen Praxis regelmäßig Aufträge nacheinander, teilweise sogar parallel, beauftragt und abgearbeitet werden und Personal und Gerätschaften aus einem gekündigten Vertrag selbstverständlich dann bei anderen Bauvorhaben eingesetzt werden.
Mit Beschluss vom 21.02.2023 - 4 U 4/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen) hat das OLG Celle zugunsten eines jeden gekündigten Unternehmers einmal klargestellt, wann ein relevanter Füllauftrag vorliegt:
Die Abarbeitung anderer Aufträge mit den infolge der Kündigung nicht eingesetzten Produktionsfaktoren bedeutet nicht von vornherein einen anderweitigen Erwerb.
Anzurechnen ist nur ein solcher Erwerb, den die Kündigung des Auftraggebers ermöglicht hat.
Um einen Auftrag als Füllauftrag zu bewerten, muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Kündigung des Auftraggebers und dem Ersatzauftrag bestehen.
War der Auftragnehmer in der Lage, neben dem gekündigten Auftrag weitere Aufträge auszuführen, die keinen ursächlichen Zusammenhang mit der Kündigung haben, sind diese nicht als Füllaufträge anzusehen.
Maßgeblich ist also, ob der anderweitige Erwerb erst durch die ausgesprochene Kündigung ermöglicht wurde. Hat der Unternehmer hingegen, wie dies in der handwerklichen Praxis üblich ist, von vornherein - und gerade nicht als Reaktion auf die Kündigung - einen weiteren Auftrag angenommen oder gar mehrere Aufträge, die er nacheinander oder parallel abarbeitet, und setzt er das freigewordene Personal nunmehr bei einem dieser weiteren Aufträge ein, so liegt dennoch kein Füllauftrag im Sinne des § 648 S. 2 BGB vor. Er muss sich den anderweitigen Erwerb dann nicht anrechnen lassen.
Zum Autor:
Rechtsanwalt Jörg Bach ist Gesellschafter und Partner der Kanzlei EISENBEIS PARTNER.
Er ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie für Miet- und Wohnungseigentums-recht und vertritt deutschlandweit namhafte Bauunternehmen und Planerbüros bei der Durchsetzung ihrer Rechte.
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