Ein Werkmangel liegt nach der Definition dann vor, wenn der tatsächliche Ist-Zustand vom vertraglich geschuldeten Soll-Zustand negativ abweicht. Ergänzt wird dies durch den sogenannten funktionalen Mangelbegriff. Dies bedeutet, dass ein Werk auch dann mangelhaft ist, wenn es zwar nach den vertraglichen Vorgaben hergestellt worden ist, jedoch die vertraglich vorausgesetzte Funktion nicht erfüllt.
Die Kombination dieser Mängelbegriffe führt im Baurecht zu einer sehr weitgehenden Haftung des Auftragnehmers. Beispielhaft hat der BGH im Jahr 2015 - unter Anwendung der Erfolgshaftung des Auftragnehmers - entschieden "Ein Dach muss dicht sein". Hintergrund der Entscheidung war, dass ein Auftragnehmer ein Dach errichtet hatte, welches zwar den vertraglichen Vorgaben entsprach, jedoch gleichwohl undicht war. Der Auftragnehmer versuchte sich aus seiner Haftung mit dem Argument, dass er die vertraglichen Vorgaben erfüllt habe und insoweit kein Mangel vorliege, heraus zu manövrieren. Ohne Erfolg.
Dass jedoch auch dieser funktionale Mangelbegriff Grenzen hat, zeigt eine Entscheidung des OLG Stuttgart vom 12.11.2019 (10 U 330/19).
In dem besagten Fall war der Auftragnehmer mit der Errichtung einer Krananlage beauftragt worden. Nach der Ausschreibung sollte der Einsatzort eine geschlossene Halle mit Lüftungsöffnungen und einem Rolltor bei einer Umgebungstemperatur von -10 °C bis +40 °C sein. Die errichtete Krananlage erfüllt diese Voraussetzungen. Tatsächlich traten in den Wintermonaten jedoch starker Nebel und eine erhebliche Luftfeuchtigkeit auf, da die Halle nach den immissionsschutzrechtlichen Vorgaben völlig einzuhausen und das Rolltor mit Ausnahme der Zeiten der Anlieferung geschlossen zu halten war. Unter diesen Bedingungen funktionierte die Krananlage nicht. Der Auftraggeber machte eine Werkminderung unter Berufung auf Mängel geltend.
Hiermit konnte der Auftraggeber jedoch nicht durchdringen. Nach Auffassung des OLG Stuttgart waren für den Errichter der Krananlage die immissionsschutzrechtlichen Vorgaben bei Vertragsschluss nicht erkennbar. Eine Funktionsfähigkeit der Anlage bei starkem Nebel und einer erheblichen Luftfeuchtigkeit war vertraglich nicht geschuldet. Lediglich die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses seien Maßstab für die Funktionsfähigkeit der Anlage.
Fazit:
Es handelt sich um eine überaus begrüßenswerte Entscheidung des Oberlandesgerichts. Die Erfolgshaftung des Auftragnehmers ist nicht uferlos. Es ist richtig, dass der Auftragnehmer nur für solche Fehler einzustehen hat, die darauf zurückgehen, dass er vertragliche Vorgaben missachtet hat. Hat der Auftragnehmer jedoch ein Werk errichtet, welches nach den vertraglichen Vorgaben funktionsfähig ist, so hat er sein Leistungssoll erfüllt. Denn auch der funktionale Mangelbegriff hat Grenzen!
Zum Autor:
Rechtsanwalt Jörg Bach ist Gesellschafter und Partner der Kanzlei EISENBEIS PARTNER.
Er ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie für Miet- und Wohnungseigentums-recht und vertritt deutschlandweit namhafte Bauunternehmen bei der Durchsetzung ihrer Rechte.
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