Nicht selten kommt es vor, dass der Bauunternehmer für zusätzliche oder geänderte Leistungen sog. Nachträge nach Ausführung dieser im Rahmen der Schlussrechnung eine Mehrvergütung fordert und sich hierbei auf Anordnungen des Architekten oder Bauleiters des Bauherrn beruft.
Ein Anspruch auf Mehrvergütung besteht in der Regel nur, wenn dem Bauunternehmer ein entsprechender Auftrag erteilt wurde.
Nicht minder selten geraten die Parteien darüber in Streit, ob der Bauleiter berechtigt war solche zusätzlichen und/oder geänderten Leistungen zu beauftragen bzw. ob der Bauherr durch diese Anordnung des Bauleiters wirksam verpflichtet wurde, mit der Folge, dass er die Zahlung der Mehrvergütung schuldet.
Denn ein vom Bauherrn mit der Bauleitung beauftragter Architekt oder Ingenieur ist nicht originär, d. h. allein aufgrund des geschlossenen Architektenvertrages/Ingenieurvertrages berechtigt, im Namen des Auftraggebers Verträge zu schließen und Nachträge zu beauftragen. Dafür benötigt er eine entsprechende Vollmacht.
Wann diese Vollmacht vorliegt, hatte das OLG Frankfurt, Urteil vom 18.09.2020 (Az. 29 U 99/17) zu entscheiden:
Der Auftragnehmer hatte wegen durchgeführter Abbrucharbeiten zusätzlichen Werklohn in Höhe von rund 54.000 € brutto gefordert. Der Auftraggeber hatte einen Bauleiter eingesetzt, der den Auftragnehmer mit den entsprechenden Abbrucharbeiten beauftragte für die der Auftragnehmer nun die Nachtragsvergütung beanspruchte.
Das OLG Frankfurt gab der Klage des Auftragnehmers statt und sprach ihm den Anspruch auf Mehrvergütung zu, mit der Begründung, der Bauleiter habe mit Anscheinsvollmacht gehandelt und damit für den Bauherrn wirksam den Auftrag erteilt.
Das OLG ließ die sogenannte Anscheinsvollmacht genügen und nahm diese an, weil der Bauleiter während des gesamten Bauvorhabens jeweils Ansprechpartner für den Auftragnehmer gewesen sei, an sämtlichen Baubesprechungen teilgenommen habe, des Weiteren sei die Durchführung der zusätzlichen Abbrucharbeiten notwendig gewesen und dem Auftraggeber die Durchführung der Arbeiten offensichtlich bekannt gewesen.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist sicher aus Sicht des Auftragnehmers zu begrüßen -
doch Vorsicht!
Der Auftragnehmer sollte sich nicht darauf verlassen, dass der Bauleiter immer für den Auftraggeber wirksam Nachträge erteilen darf, nur, weil er an Besprechungen teilnimmt und ständig Ansprechpartner des Auftragnehmers für den Bauherrn ist.
Das OLG Frankfurt hat die Grundsätze der Anscheinsvollmacht in diesem Fall sehr großzügig und weit (zu weit) ausgelegt.
Der Auftragnehmer ist in jedem Fall besser beraten sich seine Aufträge für zusätzliche Leistungen und/oder geänderte Leistungen für die er zusätzliche Vergütung verlangt, vom Bauherrn selbst beauftragen d. h. bestätigen zu lassen - im besten Fall schriftlich.
Denn die übliche Tätigkeit eines Bauleiters ist nun mal die Teilnahme an Besprechungen, die Koordination von Gewerken und Ansprechpartner für ausführende Unternehmen zu sein.
Würden diese originären Aufgaben des Bauleiters immer eine Anscheinsvollmacht begründen, gäbe es keine Notwendigkeit der Vollmachtserteilung, weil beim Architekten/Bauleiter immer automatisch aufgrund seiner Tätigkeit eine Anscheinsvollmacht vorliegen würde.
Dies ist mitnichten der Fall!
Zur Autorin:

Rechtsanwältin Nicole Gräwer ist Partnerin und Gesellschafterin der Kanzlei EISENBEIS PARTNER. Als Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht vertritt sie deutschlandweit führende Bauunternehmen und Architekturbüros.
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