Der Auftragnehmer verpflichtet sich im Rahmen des mit dem Auftraggeber geschlossenen Bauvertrages ein mangelfreies Werk herzustellen. Dabei hat er die sog. anerkannten Regeln der Technik zu beachten und einzuhalten. Diese sind in der EN 45020 definiert als „technische Festlegungen, die von einer Mehrheit repräsentativer Fachleute als Wiedergabe des Standes der Technik angesehen werden.“
Auch die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB), die von den Vertragsparteien in ihren Vertrag einbezogen werden kann, spricht z.B. in § 4 VOB/B davon, dass der Auftragnehmer bei der Ausführung seiner Leistung die anerkannten Regeln der Technik und die gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen zu beachten hat. Gemäß § 13 VOB/B ist die Leistung zur Zeit der Abnahme frei von Sachmängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat und den anerkannten Regeln der Technik entspricht.
Die Einhaltung dieser schließt einen Mangel aber nicht aus.
Das den anerkannten Regeln der Technik entsprechende Werk ist trotzdem mangelhaft, nämlich dann, wenn seine Funktionstauglichkeit eingeschränkt ist, es nicht der vereinbarten Beschaffenheit oder nicht den erkennbaren Bedürfnissen des Auftraggebers entspricht.
Das OLG München bestätigt in seiner Entscheidung von 27.03.2020 – 20 U 4425/19, die Mangelhaftigkeit eines Werkes, obwohl es den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht und voll funktionstauglich ist – allein deshalb, weil es die konkret vereinbarte Beschaffenheit nicht aufweist.
In dem vom OLG München entschiedenen Fall hatte der AG den AN damit beauftragt eine Solarthermieanlage zur Optimierung seiner Heizungsanlage aus ökologischen Gründen einzubauen. Ausdrücklich vereinbart war ebenfalls der Einbau eines Durchlauferhitzers zur Aufbereitung des Warmwassers. Der AG behauptete später, vom gerichtlich beauftragten Sachverständigen bestätigt, durch den Durchlauferhitzer sei keine ökologische Optimierung eingetreten, diese sei aber vertraglich vereinbart gewesen, deshalb sei das Werk mangelhaft.
Das OLG München bestätigt den AG und verurteilt den AN auf Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung. Es komme es nicht darauf an, ob die anerkannten Regeln der Technik eingehalten seien.
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass das Werk nicht Anforderungen der ökologischen Optimierung entspräche, was aber konkret vereinbarte Beschaffenheit des Werkes gewesen sei. Dabei spiele es auch keine Rolle, dass der AG den Einbau eines Durchlauferhitzers unstreitig beauftragte. Der Unternehmer hafte trotz konkret vereinbarter Ausführungsart grundsätzlich für den Erfolg, was im konkreten Fall die ökologische Optimierung gewesen sei.
Die Entscheidung zeigt, dass es nicht nur der Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik bedarf um ein mangelfreies Werk herzustellen, sondern auch der weiteren vertraglichen Anforderungen. Insbesondere kann der Auftragnehmer sich im Hinblick auf die Mangelhaftigkeit nicht mit dem Hinweis auf die vom Auftraggeber vorgegebene konkrete Ausführungsart entlasten. Die Vorgabe der Ausführungsart entbindet den AG nicht davon diese selbst auf die Tauglichkeit hin zu prüfen den vereinbarten Werkerfolg zu erreichen.
Zur Autorin:
Rechtsanwältin Nicole Gräwer ist Partnerin und Gesellschafterin der Kanzlei EISENBEIS PARTNER. Sie ist Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht und vertritt deutschlandweit namhafte Bauunternehmen.
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