Nicht selten kommt es im Laufe der Ausführung eines Bauauftrages vor, dass zusätzliche Leistungen ausgeführt werden müssen.
In der Regel unterbreitet der Auftragnehmer hierzu dem Auftraggeber ein Nachtragsangebot.
Ebenso oft kommt es nach Ausführung der Leistungen des Nachtrages zwischen den Parteien zum Streit über die Höhe der Nachtragsforderungen des Auftragnehmers.
In einem vom OLG Brandenburg durch Urteil am 12.05.2022 entschiedenen Fall war die Frage zu klären, ob ein Auftraggeber, der in Kenntnis der Einheitspreise des Nachtragsangebotes die entsprechenden Arbeiten widerspruchslos ausführen lässt, an die Höhe der Einheitspreise des Angebotes gebunden ist – hierüber also konkludent eine vertragliche Vereinbarung zustande gekommen ist.
In dem entschiedenen Fall hatte der Auftragnehmer restliche Vergütungsansprüche gegen den Auftraggeber aus einem Bauvertrag eingeklagt. Der Anspruchsgrund der Nachträge war unstreitig. Die Parteien stritten lediglich über die Höhe der in den Nachtragsangeboten des Auftragnehmers angegebenen Einheitspreise, insbesondere darum, ob die Höhe der Einheitspreise wirksam zwischen den Parteien vereinbart wurden.
Der Auftraggeber hatte die Leistung durch den Auftragnehmer ausführen lassen, nachdem dieser betreffend die entsprechenden Nachtragsleistungen ein Angebot unterbreitete.
Das Nachtragsangebot ging dem Auftraggeber zu. Er ließ das Angebot unkommentiert und widersprach auch nicht, als der Auftragnehmer die Leistungen ausführte.
Das erstinstanzliche Landgericht ging von einer konkludenten Annahme der Einheitspreise der Nachtragsangebote aus und wurde durch das Berufungsgericht OLG Brandenburg bestätigt:
Eine vertragliche Vereinbarung über die Höhe der Einheitspreise der Nachtragsangebote ist durch das Ausbleiben eines Widerspruches und damit der stillschweigenden Annahme des Auftraggebers zustande gekommen.
Das OLG führt dazu aus, dass Schweigen auf ein Vertragsangebot grundsätzlich nicht als stillschweigende Zustimmung zu werten sei. Ein Schweigen als Zustimmung allerdings dann angesehen werden kann, wenn nach Treu und Glauben und Verkehrssitte ein Widerspruch des Angebotsempfängers erforderlich gewesen wäre und der andere Teil daher das Verhalten so verstehen kann, dass der Empfänger den Vertrag auf der Grundlage des Angebotes schließen will.Aus der zwischen den Parteien bestehenden, aus der Vereinbarung der VOB/B folgenden Kooperationspflicht, folge die Pflicht des Auftraggebers zu einem alsbaldigen Widerspruch, wenn er die dem Nachtragsangebot zugrundeliegenden Preise nicht gegen sich gelten lassen will.
Fazit:
Die weit verbreitete Praxis der vor allem öffentlichen Auftraggeber auf Nachtragsangebote nicht zu reagieren, schadet dem Auftragnehmer somit nicht.
Im Gegenteil: Ist ein Nachtragsangebot nachweislich zugegangen und erfolgt hierauf keine Reaktion - auch nicht nachdem die Ausführung der Leistung begonnen war – kann sich der Auftragnehmer im späteren Streit über die Höhe der Nachtragsforderung auf den unwidersprochenen Einheitspreisen des Angebots berufen.
Achtung! Dies gilt dann auch umgekehrt: Erwidert der Auftraggeber auf das Angebot, ändert bzw. reduziert er die Einheitspreise und führt der Auftragnehmer seine Leistungen trotzdem ebenfalls unwidersprochen aus, so hat auch er durch sein Schweigen die geänderten Preise akzeptiert und das Änderungsangebot angenommen.
Zur Autorin:
Rechtsanwältin Nicole Gräwer ist Partnerin und Gesellschafterin der Kanzlei EISENBEIS PARTNER. Als Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht vertritt sie deutschlandweit führende Bauunternehmen und Architekturbüros. Dazu berät sie öffentliche Auftraggeber und Bieter in allen Belangen des Vergaberechts.
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