Streitigkeiten über die Berechtigung von Nachtragsforderungen sind im Baualltag an der Tagesordnung. Dies liegt in der Natur der Sache. Niemand möchte mehr bezahlen, als er bezahlen muss bzw. als er ursprünglich beauftragt hat, und niemand möchte sich mit weniger an Werklohn zufrieden geben, als ihm zusteht.
Höchst umstritten war dabei die Frage, ob der Unternehmer berechtigt ist, seine Leistungen einzustellen, wenn der Auftraggeber einen Nachtrag nicht anerkennt und insoweit Streit über die Berechtigung einer Nachtragsforderung besteht.
Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 17.08.2021 (10 U 423/20) zulasten des Unternehmers entschieden. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch den BGH mit Beschluss vom 01.06.2022 (VII ZR 826/21) zurückgewiesen.
Worum ging es?
Der mit der Ausführung von Putzarbeiten beauftragte Unternehmer stellt einen Nachtrag, den der AG nicht anerkennen möchte. Der AG bittet um die Übersendung weiterer Unterlagen, um die Berechtigung des Nachtrages prüfen zu können. Der Auftragnehmer droht damit, dass er die Baustelle einstellt, wenn sein Nachtrag nicht bestätigt werden würde. Am Folgetag erscheint der Auftragnehmer nicht mehr auf der Baustelle. Ohne Fristsetzung kündigt der Auftraggeber daraufhin den Bauvertrag außerordentlich. Der Auftragnehmer hält die Kündigung für unberechtigt und klagt auf Zahlung der vereinbarten Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen.
Die Vergütungsklage wird in allen Instanzen abgewiesen. Der Auftraggeber habe zu Recht gekündigt. Nach Auffassung des OLG Stuttgart sei der Auftraggeber gemäß § 5 Abs. 4 i.V.m. § 8 Abs. 3 VOB/B zur Kündigung berechtigt gewesen, da der Auftragnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung keine Mitarbeiter auf der Baustelle zur Fortführung der Arbeiten vorgehalten habe. Die Arbeitsverweigerung sei der Extremfall der unzureichenden Ausstattung einer Baustelle mit Arbeitskräften. Eine Fristsetzung sei entbehrlich, wenn der Auftragnehmer die rechtzeitige Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten derart verzögert und das Vertrauen des Auftraggebers in eine fristgerechte Leistung so erschüttert, dass dem Auftraggeber ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden könne.
Die Parteien eines Bauvertrages seien zur Kooperation verpflichtet. Dies bedeute, dass der Auftragnehmer auch bei einem streitigen Nachtrag zunächst die Leistungen ausführen müsse und die Berechtigung des Nachtrages erst im Nachgang zu klären sei. Das Verhalten des Auftragnehmers stelle daher eine schwerwiegende Vertragsverletzung dar, sodass eine Kündigung ohne vorherige Fristsetzung und Kündigungsandrohung zulässig gewesen sei.
Fazit:
Es handelt sich um eine sehr harte Entscheidung zulasten der Unternehmer. Man kann aus der Entscheidung herauslesen, dass im Falle von Streitigkeiten über Nachträge für den Unternehmer gilt "Augen zu und durch". - Er muss also erst einmal seine (streitigen) Leistungen ausführen, gegebenenfalls mit erheblichen Aufwendungen in Vorleistung treten und das Risiko in Kauf nehmen, dass er später keine Vergütung erhält. Eine unschöne Situation!
Ein Ausweg könnte allenfalls über § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B gegeben sein, wonach der Auftragnehmer die Arbeiten bei Zahlungsverzug nach fruchtloser Fristsetzung einstellen darf, wenn der AG eine fällige (Abschlags-)Rechnung nicht bezahlt.
Bei einem streitigen Nachtrag sollte der Auftragnehmer daher schnellstmöglich eine Abschlagsrechnung über die streitige Nachtragsforderung stellen, um zumindest die formalen Voraussetzungen zur Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes zu schaffen. Tut er dies und stellte er daraufhin die Arbeiten ein, so dürfte der Auftraggeber - im Gegensatz zur zitierten Entscheidung - nicht ohne weiteres berechtigt sein, ohne weitere Frist und ohne Kündigungsandrohung den Vertrag aufzukündigen.
Zum Autor:

Rechtsanwalt Jörg Bach ist Gesellschafter und Partner der Kanzlei EISENBEIS PARTNER.
Er ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie für Miet- und Wohnungseigentums-recht und vertritt deutschlandweit namhafte Bauunternehmen bei der Durchsetzung ihrer Rechte.


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