In der Baubranche kommt es häufig vor, dass Liefertermine bzw. Ausführungstermine nicht eindeutig und klar vereinbart werden. Dann stellt sich die Frage, wie lange der Auftraggeber zuwarten und die Verzögerung hinnehmen muss, bevor er wirksam vom Vertrag zurücktreten kann bzw. umgekehrt, wie lange der Auftragnehmer sich Zeit lassen darf, bevor er das Risiko eines wirksamen Rücktritts durch den Auftraggeber eingeht.
Dies hängt maßgeblich von den vertraglichen Regelungen im Einzelfall ab.
In einem vom Oberlandesgericht Nürnberg mit Urteil vom 20.12.2018 (13 U 427/17) entschiedenen Fall ging es um die Lieferung von zwei Aufzugsanlagen. Vertraglich vereinbart war
"eine Lieferzeit von ca. 20 Wochen ab Freigabe der Werkplanung und vollständiger Klärung aller technischer Einzelheiten."
Am 19.12.2012 erklärte der Auftraggeber die Freigabe. Nach längerer Korrespondenz wegen Einzelheiten zur Ausführung teilte der Auftragnehmer mit E-Mail vom 07.05.2014 mit, dass er versandbereit sei, sofern der Auftraggeber eine Teilzahlung leiste. Der Auftraggeber zahlte. Da der Auftragnehmer gleichwohl nicht lieferte, setzte ihm der Auftraggeber am 17.06.2016 eine mit einer Rücktrittsandrohung versehene Frist zur Lieferung bis zum 04.07.2014. Die Frist verstrich erfolglos. Der Auftraggeber trat am 07.07.2014 vom Vertrag zurück und begehrte die Rückzahlung seiner geleisteten Abschlagszahlung. Der Auftragnehmer meint, dass der Auftraggeber erst am 21.05.2014 eine endgültige Freigabe erteilt habe, da zu diesem Datum erst die Lage eines Schaltschrank festgelegt worden sei. Er habe deshalb erst im Oktober 2014 liefern müssen.
Dies sieht das OLG anders und gibt der Klage des Auftraggebers statt. Mit Beschluss vom 13.01.2021 (VII ZR 5/19) weist der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde des Auftragnehmers gegen die Entscheidung des OLG zurück. Damit ist die Entscheidung des OLG rechtsskräftig.
Das OLG hat die Klausel zur Lieferzeit so ausgelegt, dass nicht jede Änderung eines kleinen Details eine neue 20-wöchige Lieferfrist auslöse, sondern nur solche Änderungen, die für die Fertigung der Aufzugsanlage unabdingbar seien. Die unwichtige Frage, wo ein Schaltschrank angebracht werden soll, betrifft gerade nicht die Fertigung der Aufzugsanlage an sich. Zudem habe der Auftragnehmer mit E-Mail vom 07.05.2014 selbst erklärt, dass er lieferbereit sei. Die Fristsetzung durch den Auftraggeber sei damit ordnungsgemäß. Nachdem die Frist verstrichen war, habe der Auftraggeber vom Vertrag zurücktreten dürfen.
Fazit:
Auftragnehmer sollten sich im Klaren darüber sein, dass sie den Zeitpunkt der Lieferung bzw. Ausführung nicht endlos hinauszögern können. Klauseln, die eine Lieferzeit von der Freigabe der Werkplanung und vollständiger Klärung aller technischer Einzelheiten abhängig machen, können nicht so verstanden werden, dass jede noch so kleine Änderung dazu berechtigt, von einer neuen Lieferfrist auszugehen.
Zum Autor:
Rechtsanwalt Jörg Bach ist Gesellschafter und Partner der Kanzlei EISENBEIS PARTNER.
Er ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie für Miet- und Wohnungseigentums-recht und vertritt deutschlandweit namhafte Bauunternehmen bei der Durchsetzung ihrer Rechte.
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