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Ein Vertrag über die Ausführung von Elektroarbeiten kann ein Bauvertrag sein!

Ein Auftraggeber lässt eine 25 Jahre alte Turnhalle von Grund auf sanieren. Hierbei wird ein Elektriker mit dem Einbau einer Blitzschutzanlage mit Brandmeldeanlage, dem Versetzen von Schaltern, dem Austausch der Notlichtanlage und der Leuchtmittel sowie mit der Installation einer Lautsprecheranlage beauftragt. Als es im Zuge der Bauausführung zu Streitigkeiten kommt, stellt sich die Frage, wie der mit dem Elektriker abgeschlossene Vertrag rechtlich zu bewerten ist. – Handelt es sich dabei um einen (normalen) Werkvertrag gemäß § 631 BGB oder um einen Bauvertrag gemäß § 650a BGB?


Diese Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, da ein Bauvertrag gemäß § 650a BGB Rechte und Pflichten auslöst, die es bei einem Werkvertrag gemäß § 631 BGB nicht gibt. Bei einem Bauvertrag gemäß § 650a BGB

  • steht dem Auftraggeber ein Anordnungsrecht für zusätzliche bzw. geänderte Leistungen zu (§§ 650b, 650 c BGB), ähnlich dem Anordnungsrecht der VOB/B,

  • steht dem Auftragnehmer ein Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek zu (§ 650e BGB),

  • steht dem Auftragnehmer ein Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerker Sicherheit zu (§ 650f BGB),

  • ist die Stellung einer prüfbaren Schlussrechnung Fälligkeitsvoraussetzung für den Werklohnanspruch (§ 650g Abs. 4 BGB),

  • bedarf die Kündigung des Vertrages der Schriftform (§ 650h BGB).


Die Einordnung eines Vertrages als Bauvertrag hat also erhebliche Konsequenzen.


Wann liegt jedoch ein Bauvertrag vor?


Gemäß § 650a Abs. 1 BGB ist ein Bauvertrag ein Vertrag über die (Wieder-)Herstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerks. Ein Vertrag über die Instandhaltung eines Bauwerks kann gemäß § 650a Abs. 2 BGB dann ein Bauvertrag sein, wenn das auszuführende Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist.


Wie sind in diesem Zusammenhang In dem vorbezeichneten Fall die vom Elektriker zu erbringenden Leistungen einzuordnen?


Das Bayrische Oberlandesgericht ordnet den mit dem Elektriker abgeschlossenen Vertrag als Bauvertrag ein (Beschluss vom 21.03.2022 - 102 AR 196/21).


Zur Begründung führt das Bayrische Oberlandesgericht aus, dass § 650a BGB nicht nur Verträge erfasse, bei denen die vom Unternehmer geschuldete Leistung das Gesamtvorhaben (Herstellung, Wiederherstellung, Beseitigung oder Umbau sowie Instandhaltung eines Bauwerks) betreffe, sondern auch solche Einzelverträge über Teilarbeiten, bei denen eine substantielle Mitwirkung am Gesamtvorhaben zu bejahen sei. Vorliegend ginge es um objektbezogene Sanierungsmaßnahmen, mit denen eine Anpassung an den aktuellen Stand der Technik erreicht werden solle und die für den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Turnhalle von wesentlicher Bedeutung seien.


Fazit:

Aus der Entscheidung kann die Erkenntnis gezogen werden, dass immer dann, wenn die auszuführenden Arbeiten - nach einer wertenden Betrachtung (OLG Karlsruhe, IBR 2022, 338) - für die Funktionsfähigkeit des Bauwerkes essenziell sind, davon ausgegangen werden muss, dass die Parteien einen Bauvertrag gemäß § 650a BGB abgeschlossen haben, selbst dann, wenn es sich bei den auszuführenden Arbeiten lediglich um untergeordnete Teilarbeiten eines Gesamtvorhabens handelt. Für eine Vielzahl von Verträgen dürften daher die Vorschriften des Bauvertragsrechts mit den oben aufgezeigten Konsequenzen Anwendung finden.


Gerade für den Unternehmer hat dies den Vorteil, dass er vom Besteller umfangreiche Sicherheiten für seine Leistungen einfordern kann.


Zum Autor:

Rechtsanwalt Jörg Bach ist Gesellschafter und Partner der Kanzlei EISENBEIS PARTNER.

Er ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie für Miet- und Wohnungseigentums-recht und vertritt deutschlandweit namhafte Bauunternehmen bei der Durchsetzung ihrer Rechte.


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