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Gelten die Regeln für Verbraucherbauverträge auch bei einer Einzelgewerkvergabe?

Zum 01.01.2018 hat der Gesetzgeber das Bauvertragsrecht insgesamt reformiert und dabei einen eigenen Vertragstyp neu geschaffen, den Verbraucherbauvertrag.

Für den Verbraucherbauvertrag gelten die besonderen gesetzliche Regelungen der §§ 650 i bis 650 o BGB. So muss der Vertrag z.B. in Textform geschlossen werden (mündliche Absprache sind somit unbeachtlich), verbindliche Angaben zur Fertigstellung der Leistung enthalten, Abschlagszahlungen können nur in Höhe von maximal 90 % der vereinbarten Gesamtvergütung nach Baufortschritt verlangt werden, dem Verbraucher ist mit der ersten Abschlagsrechnung eine Sicherheit in Höhe von 5 % der vereinbarten Gesamtvergütung zu stellen, die Regelungen zur Bauhandwerkersicherheit nach § 650 f BGB sind nicht anwendbar und dem Besteller steht ein Widerrufsrecht zu über das der Unternehmer ihn belehren muss.


Nach dem Wortlaut des § 650 i BGB liegt ein Verbraucherbauvertrag dann vor, wenn

ein Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird.

Typischer Anwendungsbereich des Verbraucherbauvertrags ist damit der Neubau eines Einfamilienhauses “aus einer Hand“.


In der Rechtsprechung werden allerdings zunehmend Stimmen lauter, die einen Verbraucherbauvertrag auch dann annehmen, wenn nur einzelne Gewerke wie z.B. der Verputz des Hauses, die Herstellung des Daches oder die Elektroinstallation jeweils gesondert, auch verschiedenen Unternehmen, beauftragt werden.


So die Entscheidung des OLG Zweibrücken - Urteil vom 29.03.2022, AZ: 5 U 52/21. Nach Auffassung des OLG liegt ein Verbraucherbauvertrag bei einer Einzelgewerkvergabe auch dann vor, wenn die Beauftragung zeitgleich oder in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Erstellung eines neuen Gebäudes erfolgt, dies für den Unternehmer ersichtlich ist und die Gewerke zum Bau des neuen Gebäudes selbst beitragen.


In dem vom OLG Zweibrücken entschiedenen Fall hat ein privater Auftraggeber den Unternehmer mit Maler- und Stuckateurarbeiten an einem Neubau beauftragt. Der Auftragnehmer verlangte vom Auftraggeber die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit nach § 650f Abs. 1 BGB, was dieser ablehnte, woraufhin der Auftragnehmer Klage auf Stellung der Sicherheit erhob. Die Klage wurde vom OLG zurückgewiesen mit der Begründung der Anspruch auf Stellung einer Sicherheit nach § 650 f Abs. 1 BGB sei gemäß § 650 f Abs. 6 BGB ausgeschlossen, da der Besteller Verbraucher sei und ein Verbraucherbauvertrag nach § 650 i BGB vorliege.


In Rechtsprechung und Literatur sei zwar umstritten -so das OLG- ob bei einer gewerkeweisen Vergabe von Bauleistungen ein Verbraucherbauvertrag anzunehmen sei. Der Ansicht, wonach ein Bauvertrag nur dann als Verbraucherbauvertrag zu qualifizieren sei, wenn sich der Unternehmer zum Bau des gesamten Gebäudes verpflichte, sei zwar insoweit zu folgen als dass der Wortlaut des § 650i BGB von "einem neuen Gebäude" spricht, was mit der Vergabe von Einzelgewerken auf den ersten Blick nicht im Einklang zu stehen scheint. Dieser Umstand lasse sich, nach Auffassung des Gerichts, jedoch auch mit einer sprachlichen Ungenauigkeit des Gesetzgebers erklären.


Für eine erweiterte Auslegung des Anwendungsbereiches spreche vielmehr, dass durch die Vergabe von Einzelgewerken letztlich ebenso das vom Wortlaut des Gesetzes geforderte Ziel der Errichtung "eines neuen Gebäudes" erreicht werde.


Vergleichbar sei dies mit der Situation eines Generalübernehmervertrages, der unstreitig von der Vorschrift umfasst sei: Auch der Generalübernehmer führe in aller Regel keine eigene Bauleistung aus, sondern vergebe die auszuführenden Gewerke an andere Unternehmen. Bei der Einzelvergabe werde dies sachlich ähnlich ausgeführt, mit der Ausnahme, dass der Verbraucher die Gewerke vergibt. Unterschiede, die eine abweichende Behandlung rechtfertigen würden, seien nicht ersichtlich. Zudem lasse sich nur mit einer erweiterten Auslegung des Gesetzeswortlauts das gesetzgeberische Ziel des Verbraucherschutzes erreichen – so die wenig überzeugende Begründung des OLG.

Bei der Reduzierung der Anwendung der Vorschrift nur auf die Gesamterstellung eines Gebäudes aus einer Hand wäre es den bauausführenden Unternehmen durch die Herausnahme von Einzelleistungen oder die Aufspaltung in mehrere Verträge möglich, z. B. den Ausschlussgrund des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB zu umgehen. Nachdem der Verbraucher die Beweislast für das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts trägt, sei er insoweit nicht ausreichend geschützt.


Das OLG hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, die auch eingelegt wurde.


Fazit:

Für die Unternehmer bleibt zu hoffen, dass der BGH die Entscheidung aufhebt, denn sie überzeugt auf ganzer Linie nicht.


Anders als bei der Gesamtvergabe an den Generalunternehmer oder beim Bauträgervertrag, liegen bei der Einzelgewerkvergabe die Gesamtkosten der Bauwerkserstellung bei der Finanzierung noch nicht abschließend fest. Die Gewerke werden vom Verbraucher in der Regel nach und nach angefragt und beauftragt. Der Verbraucher legt lediglich das Budget fest und legt dies der finanzierenden Bank vor. Unvorhergesehenes wird in der Regel von Verbrauchern nicht einkalkuliert und nicht mitfinanziert. Insbesondere bei dem aktuellen Thema der plötzlichen Baukostensteigerung führt das zu einem erhöhten Risiko des Unternehmers des Einzelgewerkes, das die Forderung nach einer Bauhandwerkersicherung rechtfertigt.


Der Auffassung des OLG Zweibrücken folgend müsste jeder Einzelgewerk–Unternehmer zur Kalkulation seines Wagnisses Erkundigungen dazu einholen müsste, ob seine Leistung zur Erstellung eines Neubaus dient oder die Umbaumaßnahmen des Verbrauchers erheblich sind. Selbst erfahrene Baurechtler sind sich uneins darüber, wann eine Umbaumaßnahme erheblich ist und wann nicht – für Bauunternehmer unzumutbar!

Nicht zuletzt wäre auch § 650 l BGB zu beachten.


Der Auffassung des OLG Zweibrücken folgend müsste der Handwerker sicherheitshalber jeden Verbraucher über sein Widerrufsrecht belehren um am Ende nicht zu riskieren, dass der Vertrag nach erbrachter Leistung widerrufen wird und er lediglich Wertersatz in Höhe der marktüblichen Vergütung erhält.


Zur Autorin:

Rechtsanwältin Nicole Gräwer ist Partnerin und Gesellschafterin der Kanzlei EISENBEIS PARTNER. Als Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht vertritt sie deutschlandweit führende Bauunternehmen und Architekturbüros. Dazu berät sie öffentliche Auftraggeber und Bieter in allen Belangen des Vergaberechts.

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